Einfach mal sein.
- Philipp Grosche

- 27. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 29. Aug.
In seinem Buch "Anleitung zum Müßiggang" schreibt Tom Hodgkinson "Es gibt keine reinere Form des Nichtstuns als die Meditation". Beim Lesen rebelliere ich sofort! "Ganz im Gegenteil!" denke ich bei mir, "Meditation ist höchste Aktivität!" Einige, bewusste Atemzüge später beruhige ich mich und lese weiter. Ich merke, dass Hodgkinson und ich doch nicht so weiter auseinanderliegen, dass sich Hodgkinson sogar selbst widerspricht, denn er schreibt:
Meditieren ist ein Weg, mit einer inneren Dimension in Verbindung zu treten, dem Geist, der Seele, einer Art absolutem Sein, das vom rationalen Oberbewusstsein weitgehend ignoriert wird. Tom Hodgkinson
In Verbindung zu treten hat ja nun wirklich wenig damit zu tun, gar nichts zu tun. Und gerade diese Paradoxie, die Hodgkinson in diesem einen Satz ausdrückt, interessiert mich - In Verbindung treten (aktiv auf etwas zugehen) mit dem Sein (etwas, dass schon in mir, also passiv vorhanden ist).
Als Student habe ich in der Bühnentechnik eines Schauspielhauses gearbeitet. Hinter der Bühne, so habe ich dort schnell gelernt, geht es meist künstlerischer und kreativer zu, als auf der Bühne. Auf dem Weg zum Pausenraum hing eine Postkarte, die gut zu der Suche von Hodgkinson und mir passt. "Kreative Menschen sind meist dann am Kreativsten, wenn sie den Anschein erwecken nichts zu tun." Darauf abgebildet war eine in einer Hängematte liegende Person, die in der Tat nichts tat. In unserer Gesellschaft, die jedoch Wert vorrangig über Ergebnisse im Außen definiert, wirkt das reine "Rumhängen" fast schon anrüchig. Dabei vergessen wir Menschen oft, dass wir Wesen sind, die ein Außen und ein Innen haben. Das Außen haben wir zumeist gut im Griff, wir produzieren, organisieren, bringen hervor, arbeiten ab. Das tun wir entlang erlernter Muster. Das macht uns jedoch anfällig für Situationen, in denen diese Muster, die uns das Gefühl geben produktiv zu sein, nicht mehr greifen. Das sind die Situationen in denen wir uns ohmächtig fühlen. In der fragilen Welt, in der wir leben, rennen wir mit mehr Produktivität und mehr Effizienz aber zunehmend gegen die Wand.
Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten. Daß einer alles hat: das ist selten. Kurt Tucholsky
Warum wollen wir eigentlich immer mehr? Warum wollen wir immer effizienter und produktiver sein? Erich Fromm, ein für mich wichtiger Sozialpsychologe hat dieser Frage ein ganzes Buch gewidmet in "Haben oder Sein" stellt er die These auf, dass Menschen unter anderem in zwei verschiedenen Modi agieren. Im Haben-Modus wollen Menschen Dinge besitzen und Macht ausüben. Das führt, so Fromm, aber zu Angst. Klar, denn was ich Habe kann mir weggenommen werden. Oder anders, mit den Worten eines der größten Bewusstseinsphilosophen vor unserer Zeit ausgedrückt:
Angst ist der Weg zur Dunklen Seite. Angst führt zu Wut, Wut führt zu Hass und Hass führt zu Leid. Meister Yoda
Anders verhält es sich, wenn wir im Modus des Seins unterwegs sind. Im Seins-Modus erlebt sich der Mensch als aktiv in der Welt. Der Mensch ist dann im Moment gegenwärtig präsent und definiert sich über seine Beziehungen und sein Tun, nicht über Besitz. Mein Selbst erleben, kann nur ich. Daher kann nur ich es erschaffen und gestalten und niemand kann es mir nehmen. Wenn wirMenschen es also lernten unser Innen auf eine Weise zu gestalten, dass Zufriedenheit zur Folge hat, dann wäre viel Gewonnen.
Wer zufrieden ist, kauft nicht. Gerald Hüther (Hirnforscher)
Doch, wie schaffen wir das? Naja, dafür gibt es keinen einfachen drei Punkte plan. Im Gegenteil, das ist ganz schön kompliziert. Im Wesentlichen kommt es darauf an, dass du dir selbst zum Freund oder zur Freundin wirst. Und gute Freunde sorgen füreinander. Der Weg zu Zufriedenheit ist also mit all deinen Fehlern, deinen Unzulänglichkeiten, deinen Marotten und deiner Biographie, wo manches vielleicht nicht so lief, wie du es dir gewünscht hast, Freundschaft zu schließen. Das geht natürlich nicht von jetzt auf Gleich. Ein Weg kann die buddhistische Metta Meditationsform sein.
Weder du noch ich kämen auf die Idee unseren Körper längere Zeit nicht zu duschen oder uns über Tage die Zähne nicht zu putzen. Das ist so, weil wir seit unserer Kindheit Körperhygiene als Teil unseres täglichen Handelns eingeübt haben. Was wir nicht eingeübt haben, ist, wie man den Geist duscht und pflegt. Meditation kann das. Das jedoch fühlt sich für uns westliche Menschen reichlich unproduktiv an - denn dann sitzen wir einfach nur rum. Doch vielleicht hilft es dir zu wissen, dass das, was du schaffst, während du meditierst ein Raum ist, in dem du dich selbst erhalten, erkennen, stabilisieren und Zufriedenheit schaffen kannst. Sein ist eine Tätigkeit, die umso mehr du diese Qualität im Innen trägst, einen Effekt auf dein Außen in Form von strahlender Zufriedenheit haben kannst. Meditation ist eine Technik, die dir dahin den Weg bereiten kann.
Literatur
Hodgkinson, T. (2004): Anleitung zum Müßiggang. Berlin: Rogner&Bernhard
Fromm, E. (2005[1976]): Haben oder Sein. Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft: München.


Kommentare